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Isidor

„Mein Urgroßonkel war ein Dandy. Sein Name war Isidor. Oder Ignaz. Eigentlich aber hieß er Israel. Doch dieser Name war zu verräterisch“

So beginnt Shelly Kupferberg ihr Buch ISIDOR. Es ist die Geschichte ihres Urgroßonkels Isidor Geller, die sie in mühevoller, nächtelanger Arbeit aus hunderten von Briefen entziffert und rekonstruiert hat. Es ist Familiengeschichte, Gesellschaftsgeschichte, Zeitgeschichte, europäische Geschichte. Sie beginnt in ärmlichen Verhältnissen im Schtetl Galiziens das der junge Isidor verlässt und zu seinem Bruder nach Wien geht. In die internationale Kulturmetropole, entstanden durch die jüdische Bourgeoisie, die den Freiraum ausnutze, den die christlichen Millionäre ließen, die sich vorrangig mit Reiten und Jagd beschäftigten. Durch Fleiß und Geschick, durch lernen, studieren und schaffen, unterbrochen nur von Cafèhausbesuchen, bei denen er Kontakte knüpft, die sich später als nützlich erweisen sollten, gelingt Isidor der Aufstieg in die Wiener Upperclass bis hin zum superreichen Kommerzialrat und Berater in Wirtschaftsfragen. Und zum Kunstmäzen. Kinderlos mit seiner Geliebten, einer angeblichen Gräfin, Schauspielerin und Marlene-Diedrich-Verschnitt, residiert er und hält Hof in 10 Zimmern in einem Stockwerk des Rothschild-Palais und kann sich überhaupt nicht vorstellen, in welche Gefahr er durch die heraufziehende nationalsozialistische Machtergreifung gerät, den „Anschluss“ Österreichs. Während seine Verwandten nach Amerika, das „goldene Medine“, auswandern bleibt er in Wien und muss miterleben, erleiden wie sein ganzes Vermögen von den Nazis konfisziert und abtransportiert, sein ganzes Dasein vernichtet wird. „Doch was sind solche Dinge im Vergleich zu Menschenleben“ (S. 224). Einen Tag nach dem „Anschluss“ wurde Isidor Geller verhaftet………..

„Ein jüdisches Leben“, so der Untertitel des Buches, ist ein mit vielen Anekdoten aus der Familiengeschichte gewürztes Memoire des jüdischen Großbürgertums. Eine Erinnerung an eine Welt, die durch Faschismus, Nationalismus und Antizionismus unwiederbringlich vergangen, vernichtet wurde. Ein heiter-trauriger, berührender Abgesang, von der Autorin persönlich und hautnah geschildert. Ein „literarischer Stolperstein“ wie der Spiegel schrieb. Besser kann man dieses intensiv recherchierte wunderbare Buch wohl kaum beschreiben. Recherchen, die, so die Autorin, noch Stoff für viele Bücher enthalten. Kopfkino, für die Autorin beim Recherchieren und Schreiben und für uns, liebe Leser, beim Lesen.

Gustav Förster

Ein jüdisches Leben
Einband: Leinen
EAN: 9783257072068
24,00 €inkl. MwSt.

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